Des Teufels General, die WAZ und das moralisierende hässliche Entlein

Eine Dramolette über den Kriegstreiber

NATO-Presse: Die Medien als Kriegstrieber

#Kriegstreiber

Er könne es nicht ausstehen, dieses »Seht ihr, hab ich’s nicht gesagt?« Denn wenn einer über Jahre und Jahrzehnte hinweg schreibe, so Ingo Munz, seine Meinung ungefragt kundtue, dann werde schon ab und an etwas dabei sein, was ihn später bestätige. Ein Souverän, ein wahrer Teiresias, habe allerdings zu schweigen, habe den erhobenen Zeigefinger in der Hosentasche zu lassen. Im Falle der Zeitungsdramolette »Des Teufels General, die WAZ und das moralisierende hässliche Entlein« bleibe einem aber nichts anderes übrig, als eine Ausnahme zu machen.

»Des Teufels General, die WAZ und das moralisierende hässliche Entlein« entstand im November 2006 aus Empörung über einen Artikel in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ). Darin äußerte sich der Vier-Sterne-General Naumann über die sogenannte Notwenigkeit des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr und empfahl der Bevölkerung, sich wieder an tötende und getötete deutsche Soldaten zu gewöhnen. Die Selbstverständlichkeit, mit der ein offensichtlich Geisteskranker menschverachtendes und – man möge die marxistische Wortwahl richtig einordnen – imperialistisches Gedankengut zum Besten geben darf, schockierte, erzürnte und zündete beim Autor in der Erfindung einer neuen dramatischen Abart, der Zeitungsdramolette. Prinzip einer solchen Zeitungsdramolette ist die wortgetreue Wiedergabe eines Zeitungsartikels beziehungsweise eines Interviews sowie das Einfügen einer weiteren Figur, in diesem Fall der Figur des moralisierenden hässlichen Entleins.

»Sich wieder an tötende und getötete deutsche Soldaten gewöhnen …«

General Naumann in der WAZ am 27.11.2006

Das Interview erschien am 27.11.2006 in der WAZ. Entstanden ist die Zeitungsdramolette:

Des Teufels General, die WAZ und das moralisierende hässliche Entlein

 

Die Zeitungsdramolette wurde veröffentlicht in dem Erzählband »Geschichten aus Ruhrgebiet«: 

Überschrift: Deutsche Soldaten in Afghanistan
Unterüberschrift: Partner sind enttäuscht
Teasertext: Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann, sieht Deutschland bei der Afghanistan-Mission in der Pflicht. Die NATO müsse allerdings ihre Strategie ändern.
Ort: Ein gewöhnliches deutsches Redaktionsbüro

Personen

WAZ (Ein Medienimperium)

GENERAL NEUMANN: Vier-Sterne-General a. D. war von 1991 bis 1996 Generalinspekteur der Bundeswehr. Als Vorsitzender des Nato-Militärausschusses in Brüssel erwarb er sich hohes Ansehen für sein Mitwirken an Grundsatzentscheidungen im Kosovo-Konflikt. Naumann gehörte zu den Belastungszeugen im Milosevic-Prozess. Nach der Pensionierung 1999 wurde er vom Generalsekretär der Vereinten Nationen in ein Gremium zur Reform der UN-Friedensmissionen berufen.

DAS MORALISIERENDE HÄSSLICHE ENTLEIN: Eine Nestbeschmutzerin

Vorspiel auf dem Theater

Hochverehrtes Publikum,
Halten Sie uns nicht für dumm
Wenn wir nun ein paar Strophen singen
Die nicht nach großer Dichtung klingen.
Denn die Diktion der WAZ [sprich: Weh Ah Zett]
Und Ausdrucksart des Generals
Sind nicht etwa frei erfunden
Sondern in der WAZ gefunden. [sprich: Watz]
Am 27. November 2006
Würdig eines großen Gags
Stand exponiert in großen Lettern
Was wir nun um die Ohren schmettern.

WAZ: Herr Naumann, Ihnen wird nachgesagt Sie hätten der Bundeswehr Drückebergerei vorgeworfen.

GENERAL NEUMANN: Das ist blanker Unsinn, einen solchen Vorwurf habe ich nie erhoben. Ich habe mich dafür ausgesprochen, dass deutsche Soldaten im Notfall durchaus im Süden Afghanistans bei Kampfhandlungen eingesetzt werden.

WAZ: Im Grunde haben Regierung, Opposition und Öffentlichkeit Angst vor dem Tabubruch: dass deutsche Soldaten töten und getötet werden.

GENERAL NEUMANN: Das würde ich nicht ausschließen, aber damit müssen Öffentlichkeit wie Politik fertig werden. Vergessen wir nicht, dass wir schon in der Zeit des Kalten Krieges damit gerechnet haben, zu töten und getötet zu werden. Neu ist, dass dies geschehen kann, während Deutschland im tiefsten Frieden lebt.

DAS MORALISIERENDE HÄSSLICHE ENTLEIN: Wollt ihr den totalen Krieg – endlich mal wieder? Denn bedrohlich wirkt der Frieden, diese Ruhe vor dem Sturm.

WAZ: Wobei die Bedrohung heute noch sehr weit entfernt ist.

GENERAL NEUMANN: In der Tat. Wir feiern bei uns die Fußball-Weltmeisterschaft und auf der anderen Seite der Welt befinden wir uns im Krieg. Den Engländern ist diese Situation längst vertraut.

DAS MORALISIERENDE HÄSSLICHE ENTLEIN: Mit ihren »friedenserzwingenden« Auslandseinsätzen sind die Engländer seit Jahrzehnten so erfolgreich wie bei Fußball-Weltmeisterschaften.

GENERAL NAUMANN: Auch wir müssen uns daran gewöhnen, den Risiken in der Ferne zu begegnen, damit die Gefahr gar nicht erst nach Deutschland kommt.

WAZ: Wie gefährlich sind die Taliban?

GENERAL NEUMANN: Das ist schwer zu sagen. Fest steht, dass es der Nato nicht gelungen ist, den Menschen im Süden Afghanistans deutlich zu machen, dass die Nato-Staaten gekommen sind, um ihnen zu helfen. Und solange gekämpft wird, gibt es keinen Wiederaufbau. Weil es bislang nicht gelang, die Herzen der Menschen zu gewinnen, haben die Taliban Zulauf.

DAS MORALISIERENDE HÄSSLICHE ENTLEIN: Wirklich ein komisches Völkchen, diese Afghanen. Da zerbombt man Land und Leute und was ist der Dank? Sie verriegeln ihre Herzen!

WAZ: Wie sollte also die weitere Vorgehensweise aussehen?

GENERAL NEUMANN: Phase 1: Widerstand beseitigen und Sicherheit herstellen,

DAS MORALISIERENDE HÄSSLICHE ENTLEIN: Das heißt auf Deutsch: weiter Menschen töten.

GENERAL NEUMANN: Phase 2: Sicherheit stabilisieren,

DAS MORALISIERENDE HÄSSLICHE ENTLEIN: Sicherheit stabilisieren heißt: Gegen den Willen des Volkes Marionetten der Besatzungsmacht installieren, Unmut heraufbeschwören und dabei zusehen, wie sich die Parteien gegenseitig in die Luft jagen. Kurzum: den Bürgerkrieg weitsichtig vorbereiten.

GENERAL NEUMANN: Phase 3: sofort einsetzender Wiederaufbau. Das verlangt mehr als nur militärischen Einsatz. Das setzt voraus, dass alle Länder ihre Vorbehalte aufgeben. Die Vorbehalte sind kein Problem der Deutschen allein.

DAS MORALISIERENDE HÄSSLICHE ENTLEIN: Sofort einsetzender Wiederaufbau kann zweierlei heißen: Erstens: Sofort abziehen, Chaos hinterlassen und Bürgerkriege heraufbeschwören, ohne den Schutt und die Asche wegzuräumen, wie beispielsweise im Vietnam und bald im Irak. Oder zweitens: Den Schlange stehenden Unternehmen des Westens Aufträge zuschachern und unsere Wirtschaft ankurbeln. Damit Afghanen endlich auch Hamburger essen können und Kabuls Innenstadt so schön bunt und vielfältig gedeiht wie unsere Stadtzentren. Generell gilt: Autobahnen bei uns zu bauen, ist teuer geworden. Bauen wir nun also in Afghanistan. Im Übrigen heißt Vorbehalte aufgeben: Endlich wieder ohne schlechtes Gewissen töten zu dürfen.

Epilog

Dem General schon jetzt gebührt ein Dank
Denn bald reicht Tod dem General die Hand.
Bald aus deutschen Zügen dringt
Der Gestank von tausend Leichen.
Und dann auf Totenmessen singt
Die Politik von dem, was Frieden bringt.
So wie in London und Madrid
Dort singen sie schon lange mit.
Danke auch der WAZ [sprich: Weh Ah Zett]
Dass ich mit Kummer geh ins Bett.
Denn als kapitale Wirtschaftsmacht
Gibt sie sorgfältig drauf Acht
Dass unsre hehren Unternehmen
Sich gen Orient ausdehnen.
Ferner dank ich auch den Richtern
Jenen übermenschlich Lichtern
Die Auschwitzlügen sanktionieren
Fürs eigne Portemonnaie zu töten, tolerieren.
Erhebt Euch Männer und auch Weiber
Und stellt zur Rede die Kriegstreiber!
Missachtet jene, die nichts machen
Und über die Moral nur lachen.
Sagt unsren Künstlern in das Ohr
Dass Kunst auch andres bringt hervor
Als Stund für Stund und Jahr für Jahr
Nur immer wieder L’art pour l’art!
Und geben Demokraten sich verlegen
Dann haltet ihnen forsch entgegen:
Verwechselt nicht die Meinungsfreiheit
Mit bleierner Beliebigkeit!

VORHANG

Geschrieben 2006 für die »Bewegung Amorkratie.Jetzt!

»Da zerbombt man Land und Leute und was ist der Dank? Sie verriegeln ihre Herzen!«

Die Revitalisierung der Zeitungsdramolette

Anstoß für eine Revitalisierung der Zeitungsdramolette war der Spiegel-Online-Artikel »Bundeswehr befürchtet Bürgerkrieg in Afghanistan« vom 2. Dezember 2011. Der Artikel bestätigt die Prognosen des hässlichen Entleins Wort für Wort. Es zeigt sich, wie die erzreaktionären Kräfte dieses Landes, unterstützt von Wirtschaft und Medien, fast Jahr für Jahr dieselben Fehler begehen dürfen. Es ist eine Schande! J’Accuse! Ich klage an die WAZ, die Politik und all jene, die nicht gegen die verbrecherischen Machenschaften von Medien und Wirtschaft aufbegehren!

Lovis Löwenthal, am 3. Dezember 2011

Des Teufels General, die WAZ und das moralisierende hässliche Entlein

Midas

von Daniel Berg, Fabian Sattler, Charis Nass | Projekt Antimärchen, von Eugen Bednarek

Lesen und hören Sie aus dem Gedichtzyklus Anti-Märchen:

Midas
(von Daniel Berg, interpretiert von Charis Nass)
Wo er hinlangt, wirkt Wut
Was er anfasst, wirft Blut
Welt wird rot
Bald reicht Tod
dem General
die Hand

Ein Appell zum Abschluss

Prüft und überdenkt das, was Euch vorgesetzt wird! Hierzu der Eintrag ins Gästebuch der Bewegung Amorkratie. Jetzt! vom 13. April 2010 (Homepage mitsamt des Gästebuchs wurde eingestellt, die Domain wird weitergeleietet auf www.ingomunz.com).

Ich arbeite bei der WAZ. Ihr habt es mit «Des Teufels General, die WAZ und das moralisierende hässliche Entlein» wunderbar getroffen. Bitte mehr davon.

(Anonymus)