Himmelblaue Finsternis: Poesie zu den Bremer Stadtmusikanten
Himmelblaue Finsternis, meint Ingo Munz, klinge ein bisschen wie ein bisschen schwanger und ein bisschen beschreibe es unsere Zeit, in der Märchen zwar noch nicht komplett von der Bildfläche verschwunden seien, einer Zeit aber, die dazu neige, Märchen nurmehr Anti-Märchen zu nennen.
Die Projektbeschreibung zu »Anti-Märchen« des Initiators Eugen Bednarek: »Meine Idee war, verschiedene Kunstsparten und Künstler in einem Projekt zusammenzubringen. Als Ursprung diente zunächst mein Zyklus von zehn Ölbildern, die ich selbst als entmythologisierte Märchen, Legenden und Mythen bezeichnete. Dann motivierte ich einige Literaten, sich von meinen Bildern anregen zu lassen. Formale Vorgaben gab es nicht. Entstanden ist reine Poesie, im Speziellen Gedichte, Prosatexte und Lieder. Von diesen Werken hat sich anschließend der Gelsenkirchener Musiker Oliver Friedrich inspirieren lassen. Er vertonte und illustrierte sie mit eigenen Kompositionen. Die Schauspieler Charis Nass und Fabian Sattler haben die literarisch-musikalischen Beiträge zu guter Letzt darstellerisch interpretiert.«
Die CD kann zu einem kleinen Unkostenbeitrag erworben werden.
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Eine Auswahl der Bilder, Texte und Vertonungen
Musik: Oliver Friedrich, interpretiert von Charis Nass und Fabian Sattler.
Die Bremer Stadtmusikanten (von Ingo Munz)
Szegediner Gulasch äugt aus blechernen Henkeltöpfen.
Himmelblaue, Äugen, Horn, Abgerissen.
Traurig, karg, Fliesen, Doppelgesichter,
Milchfarben, ölig, schlimm, Klauen, Hahnenkamm.
Angst, Tod und Leiden, sanft, gottlos, Seele?
Blicken, starren, Gischt, Klecks, Morast, Wellen, wüten, entzweit, entrissen, weggespült, ruchlos, treulos, Hyänen!
Kunst, Büffel, kalt, Gewalt, Hirn, dumpf, Mensch, Tier, Firnis, Beitel, beharken, Klaue, Chimäre, Höllenhund, Schlächter, Vieh, Häuten,
Fleischbeschauer,
Preßkopf,
Eisbein,
Aufschnitt,
Hackbank,
Knochensäge,
Fleischwolf!
Angekommen sind wir, wo die Märchen tot sind!
Himmelblaue Finsternis
Musik: Oliver Friedrich, interpretiert von Charis Nass und Fabian Sattler.
Die Bremer Stadtmusikanten
Pegasus (von Maria Hilber)
Brennend knistern auf der anmutigen Stirn
Flügel, die das Haar versengen.
Weit schwingend trugen sie einst das Wort,
den Suchenden, Neugierigen übers Papier hinaus.
Erlaubten einen anderen Blick
und ließen uns schauen auf das Getümmel,
dem er schon entkommen war.
Entsprungen einem blutenden Rumpf
ist er gezäumt mit goldenen Bändern,
unbändig, unergründlich, ortlos und frei.
Ankommen in der Menge,
im Gewühl besinnungslos baden:
dabei sein ist alles, dabei sein ist viel.
Jetzt trabt er nach einem anderen Taktstock, tänzelt und nickt.
Geführt und geliebt, strahlend und glitzernd
und im Dunkel glänzt der Preis.
Musik: Oliver Friedrich, interpretiert von Fabian Sattler.
Pegasus
Rückkehr der Form (von Mariusz Lata)
Den Boden leckend, gibt sie sich nicht vergebens. Die Krisis ist die Chance des Erneuernden;
die Krisis fließt: ein Strom, der sich hinaufgearbeitet hat.
Das Feuer des Südens gebiert das Blaue, das Himmelblaue und das Graue der kieseligen Strassen, das Hirnverbrannte. Hier zirpt es, dort die Verheerung des Willens, des Alles – das Armeöffnende im Dort des Wagnisses. Licht ins Dunkel bringen, zu sich.
Zurück, sich Überwunden; Schritte hallend in diesem Raum: wortlose Form.
Einst: Grammatik zerstückt, Unterbau pfauenfedernzerflossen, Mittelbau voranschreitende Emanation, Schießen im Hirn.
Sie hat sich geordnet, ihre Rippen gezählt, über ihren Adamsapfel gestreichelt.
Sie leiht sich der Form, spricht: Dort habe ich gestanden, ich wurde besprochen, gezählt viele Male, bis ich rippig und dann aschern war; in meiner Asche wurde mit nackten Zehen herumgewühlt. Es hieß: Sei wer du bist – mit dem ganzen Zehendreck dazwischen.
Sie dreht sich um, du sollst nicht in ihren Augen ertrinken, die im Werden stehen.
Keine Rache.
Du stehst in deinem Werden, während du hörst, dass sie den Raum verlassen wird.
Du folgst ihr, schreist ihrem nackten Busen hinterher.
Sie, sie wird schweigen.
Sie hat dir eine Form geliehen.
Das Ölbild von Eugen Bednarek
Alle Gedichte und Texte finden Sie auf der Homepage des Initiators Eugen Bednarek unter: www.bedart.de.
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